Soll ich das hier weiterschreiben?

Geschichten kommen vom Herzen. Musik von der Seele. Die leise Klaviermelodie dringt durch die Wände des Mehrfamilienhauses. Die Bewohner halten kurz inne und lauschen, schließen einen Moment die Augen und genießen die kurze Zeit vollkommener Zufriedenheit. Dann stimmt eine Violine in die Musik mit ein und zusammen lässt die Musik einen in fremde Welten entschweben.

Ein Mann mittleren Alters spielt die Fiedel wie besessen im Pub des Dorfes. Die Besucher und Trinker der Kneipe grölen die Lieder mit und schlagen mit ihren Krügen auf die Tische. Der Wirt klatscht begeistert mit, während er bei seinen Gästen abkassiert und denen, deren Getränke leer sind, neue serviert. „Gutes Bier, Margoz.“, ruft einer der ausländischen Gäste, die in einer Ecke der Gaststube sitzen und eine ziemlich bunte Gesellschaft bilden. Die Gruppe war schon oft in Margoz‘ Wirtshaus eingekehrt, während ihrer Verkaufsaison im Frühherbst. Die menschen, die für den windigen Herbst und den kalten Winter vorsorgen wollen, kaufen ihnen so gut wie alles ab – sofern sie es sich leisten können. „Ich weiß.“ Margoz stellt die Krüge auf den Tischen ab, welche er bis dahin auf seinen Armen balanciert hat und wendet sich dem kahlgeschorenen Anführer der Gruppe zu. „Wann habt ihr vor weiter zu ziehen, Joe?“ Der Angesprochene zuckt mit den Schulter, greift sich ein Bier und trinkt einen tiefen Schluck daraus. „Wir wollen vor den Stürmen auf jeden Fall in Corbay sein.“ Joe runzelt die Stirn und wendet sein Gesicht dem kleinen, etwas verdreckten Fenster zu, welches zu seiner Linken gekippt worden ist. „Ich möchte nicht in die Stürme hineingeraten.“ Seine Truppe verstummt augenblicklich und mit ihnen ihre Scherze und Blödeleien. Die Stürme sind keine Sache, mit der man gerne herumalbert. Bei jedem Blattwechsel der Bäume, wenn es sich der kühlen Jahreszeit zuneigt, verlieren Dörfer und Städte unzählige Einwohner. „Ich weiß noch“, räuspert sich ein Mann, klein und voller Haare zu Joes Rechten. „An einem Blattwechsel waren wir nicht rechtzeitig auf den Südinseln. Unsere gesamte Karawane geriet zwischen die Flanken der zornigen Götter. Wir verloren die Hälfte unserer Kumpanen und mehrere Wägen waren nach den Böen unauffindbar.“ In dem Wirtshaus sind nun nahezu alle Gespräche verstummt und auch der Fiedler hat sein Instrument beiseite gelegt und lauscht der Geschichte. „Alles war so ruhig, wir alle dachten, es wäre vorbei.“ Ein paar vereinzelte Lacher aus der zuhörenden Menge unterbrachen den Erzähler. Jeder noch so doofe Bauer weiß, sobald die Welt um einen stumm wird, sollte man Schutz suchen. Doch die Händler waren den Stürmen bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich aus dem Weg gegangen. Sie hatten keine Ahnung, was auf sie zukam. „Es fühlte sich so an, als wollten die Winde uns zerquetschen. Ich lag flach auf dem Boden und wagte es kaum mich zu rühren, bis das unheimliche Heulen nachließ. An diesem Tag verlorenen wir alle viel zu viel.“ Die Menschen aus seiner Gruppe nickten beifällig. Jeder von ihnen kann ein Lied von diesem Erlebnis singen. Das Schreckliche brennt sich in die Gedächtnisse der Leute ein und man kann nur schwer aufhören, die ganze Zeit daran zu denken oder sich über die Verluste zu beklagen. Margoz klopft dem Erzähler mitfühlend auf die Schulter. “ Mir hat es damals das gesamte Dach des Hauses hinuntergefegt. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es im Wald gewesen sein muss.“

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